EOS: Zeitschrift aus Baiern, zur Erheiterung und Belehrung
Nr. 53 5. Juli 1819
Die ehemalige BergFeste Trifels.
Fortsetzung
O wie gerne würde ich hier auf dieser Bergzinne das Buch der Vergangenheit öffnen, wie gerne in ihm leben, was einst drunten in diesem Thale, was einst dort in der Ebene geschah; wie gerne bey jenen Zeiten verweilen, ehe die Sterblichen den Entschluß faßten, sich hier einen Ort der Sicherheit zu wählen: aber dieses Buch ist mit siebenfachem Siegel verschloßen. Früher, das sagt uns der Boden der Gegend, war diese große Fläche mit Wasser bedeckt, denn allenthalben findet man versteinerte MeerProducte; nach und nach verlohren sich die Fluthen, als sie unterhalb dem jetzigen Bingen den selsigten Damm durchbrochen hatten ; — der fruchtbare Erdstrich war den Menschen gegeben. Vielleicht kam, wenn man einer Dunkeln Vermuthung glauben dürfte, ein Theil von jenen asiatischen Fremdlingen hierher, die sich nach der Zerstörung Trojas ein neues Vaterland suchten. Darauf zogen sie durch diese Thäler, von neuen Feinden beunruhigt, und verließen wieder den Rhein, dessen Namen noch an ihre Sprache erinnern soll, um sich an der Mosel ein zweites Troja (Trier) zu erbauen. Doch was sollten wir uns Vermuthungen überlassen, die man nie zum helleren Tageslicht fördern kann, und dasjenige übergeben, was nicht ganz der Schleier der Vergangenheit umhüllt.
Die Mediomatriker werden uns als die ältesten Bewohner dieser Gegend genannt; sie bebaueten das schöne Land als römische Heerscharen das Ufer des Rheins besetzten, und mußten sich glücklich schätzen, mit denselben ein Bündniß eingegangen zu haben, das ihnen in der Folge immer lästiger und gefärlicher wurde. Über drey hundert Jahre dauerte die Zeit ihres Duldens. Schon in den bürgerlichen Kriegen zwischen Cäsar und Pompejus wurden sie aus dieser Ebene zurückgedrängt. Dort oben brach das Volk der Tripopen herüber, und hier unten waren es Nemeten und Bangionen, die sie hernach beunruhigten. Diese schönen Gefilde, mit all dem Süßen, was der vaterländische Boden hat, wurde ihnen entrißen, und vielleicht ist auch ein Theil derselben durch dieses enge Thal hinter das Vogesische Gebirge entwichen.
Zwar standen die Römer noch immer in ihren verschanzten Lagern am Rhein, und es war ihnen sogar gelungen, auch die neuen Ankömmlinge unter ihren Adlern zu versammeln; aber endlich traf sie doch der Wechsel aller Dinge. Auf der rechten Rheinseite erhob sich das Toben germanischer Horden; sie zogen mit wildem Ungetüm über den brausenden Strom, und Roms Kohorten mußten den Fluß, sie mußten dieses Gebirge – die ganze Gegend verlassen, die sie solange als ihr Eigentum betrachtet hatten. Nun begangen jene furchtbaren Kämpfe, die den Wohlstand der Gegend auf viele Jahre zerstörten. Gothen und Hunnen gingen verwüstend durch diese Gefilde, welche endlich die Allemannen behaupteten, bis sie Klodwig, der beherzte Anführer der Franken, unter seinen Scepter brachte. Nun bildete sich hier das Herzogthum der rheinischen Franken und eine neue Periode brach für diese Länder an. Doch fast hätte ich beym Anblick dieser Gegend die Ruinen vergessen, in deren Mitte ich stehe, und von ihnen zu reden habe ich doch versprochen.
Nur ein kleiner Theil von diesem alten BurgGebäude hat sich erhalten, und fordert noch mehrere MenscheAlter, bis auch er darnieder sinkt. Ein schmaler Eingang, vor Jahren durch einserne Stangen verwahret, führt durch dicke Mauern durch etliche Gemächer, die noch wenig beschädigt sind. Auf zwey steinernen Treppen kann man bequem in das zweyte Stockwerk steigen. Am wenigsten ist das Mauerwerk an jenem Saale verletzt, den die Sage für die BurgKapelle erklärt. Auf den Seiten sind Sitze und über ihnen mehrere Vertiefungen, in denen die KaiserKrone und andere Insigien des Reichs verwahret wurden. Aus den FensterÖffnungen sieht man, wie aus Wolken hinab, auf die beyden Ufer des Rheins. Hinter diesem Bau ist fast alles verfallen, und nur das Burgverließ hat sich in seinem Gewölbe erhalten. Durch vier Oeffnungen fiel das Licht hinein, und erleuchtete den schauervollen VerwahrungsOrt. Auf der anderen Seite ist ein kühner Schwibbogen, und neben demselben der Brunnen, in dessen furchtbare Tiefe man nicht ohne Grauen hinabblicken kann, obgleich der größte Theil durch hinabgefallenes Mauerwerk ausgefüllt ist. Nicht weit davon ist der sogenannte Tanzplatz – ein jetzt nackter Fels, auf dem man kaum noch die Spur von einem Gebäude entdeckt.
In diesem Zustande befindet sich gegenwärtig unsere Burg: fast alles ist zerfallen, und vergebens sucht man aus dem Raum auf ihre ehemalige Gestalt zu schließen. So wenig aber die kühnste Einbildungskraft im Stande ist, sich aus den wenigen Ueberbleibseln ein richtiges Gemälde zu entwerfen, so sehr ist auch das Gemälde der Geschichte vom Schatten des Alterthums verdunkelt. Ueber die Entstehung dieser Feste sind keine bestimmte Nachrichten vorhanden: denn das,was uns hiervon ein gewisser Jacob Beyerlin erzählt, ist mit so vielen Unrichtigkeiten aus Fabeln vermischt, daß es keine Berücksichtigung verdienet. Nur ein sehr schwacher Schimmer von Wahrscheinlichkeit könnte uns zurückführen bis zu den Zeiten der Römer; aber das jetzige Mauerwerk scheint doch aus einer späteren Zeit zu seyn, und wir glauben seine Erbauung nur in die Periode der merovingischen Könige zurücksetzen zu können. Einige ihres Stammes verweilten nicht blos gern in dieser Gegend, wo sie auf der einen Seite die reizenden RheinGefilde, und auf der anderen die Vergnügungen der Jagd genießen konnten, sondern auch mehrere ihrer fränkischen Dynasten hatten sich ringsumher auf den Vogesen angesiedelt. Nur eine Stunde von hier lag die Burg Neucastell, wo Dagobert öfters oste, – etwas rückwärts die Veste Wilgardeburg, auf welcher die StammMutter König Conrads I. In stiller Einsamkeit den Rest ihrer Tage verlebte.
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